Ich hatte schon mal über das Thema geschrieben, aber wollte es doch noch genauer wissen und habe deshalb die Suche systematischer und nachprüfbarer gestaltet. Es folgt eine Übersicht über alle Meta-Studien zu Nahrungsergänzungsmittel, denen eine antidepressive Wirkung nachgesagt wird.
Erstmal sehr knapp und auf einen Blick:
Nahrungsergänzungsmittel | Effektstärke | Studienumfang | Datenqualität |
Omega-3 | d = 0,34 | 235 RCTs / 7900 Probanten | Sehr gut |
Probiotisch | d = 0,28 | 82 RCTs / 2300 Probanten | Sehr gut |
Kurkuma | d = 0,49 | 26 RCTs / 800 Probanten | Mäßig |
Safran | d = 1,03 | 43 RCTs / 1600 Probanten | Schlecht |
L-Carnitin | d = 1,10 | 12 RCTs / 800 Probanten | Schlecht |
Zur Einordnung der Effektstärken: CBT bringt eine Reduktion depressiver Symptome von d = 0,70 (basierend auf 9000 Probanten), Mindfulness-Interventionen bringen d = 0,52 (basierend auf 5300 Probanten) und Fitness-Interventionen d = 0,58 (basierend auf 4200 Probanten).
Sehr gut empirisch gesichert ist demnach die antidepressive Wirkung von Omega-3 (sofern die Formulierung EPA-reich ist und die Dosis hoch) und probiotischer Mittel. Die Effektstärke liegt zwar ein gutes Stück unter dem Gold-Standard, kann sich aber trotzdem gut sehen lassen, vor allem vor dem Hintergrund der Verfügbarkeit und einfachen Implementation. Kurkuma zeigt eine etwas höhere Effektstärke, jedoch ist die Datenlage noch relativ überschaubar und es findet sich ein mäßig-starker Publikationsbias. Man darf die antidepressive Wirkung als gesichert ansehen, sollte aber die Effektstärke mit Vorsicht genießen. Vermutlich wird die tatsächliche Effektstärke auch in der Umgebung von Omega-3 und probiotischen Mitteln liegen.
Noch mehr Vorsicht sollte man bei Safran und L-Carnitin walten lassen. Die Effektstärken sind unrealistisch hoch und die Meta-Studien zeigen sehr umfassende Hinweise auf Publikationsbias. Bei Safran kommt hinzu, dass die meisten der RCTs aus einem einzelnen iranischen Institut kommen. Jedoch bleibt bei beiden Mitteln nach Bias-Korrektur mittels der Trim-And-Fill Methode ein signifikanter Effekt übrig. Ein Versuch ist es also allemal Wert.
Hier alle Meta-Studien zu Omega-3 inklusive Link. Der Mittelwert ist gewichtet nach der Wurzel der Probantenzahl (und somit proportional zum vermuteteten Standardfehler). Subgruppenanalysen zeigen desöfteren, dass für eine antidepressive Wirkung das Mittel anteilig sehr viel EPA enthalten muss und hochdosiert sein soll. Ist das gegeben, kann man von Effektstärken gut über dem gewichteten Mittel von d = 0,34 ausgehen.
Hier die Studien zu probiotischen Mitteln. Subgruppenanalysen zeigen, dass der Effekt für depressive Probanten stärker ist. Bei depressiven Probanten ergeben sich Effektstärken weit über dem Mittel von d = 0,28. Hinweise auf Publikationsbias findet keine der Meta-Studien, zumindest keine, bei der die Analyse zugänglich war.
RCTs / Probanten | Jahr | Effektstärke | Bias? | Link |
34 | 2019 | d = 0,24 | LOW | https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0149763419300533 |
19 / 1900 | 2019 | d = 0,31 | – | https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0165178119312156 |
10 / 1350 | 2018 | d = 0,13 | LOW | https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S016503271731488X |
7 | 2017 | d = 0,34 | – | https://www.liebertpub.com/doi/abs/10.1089/acm.2016.0023 |
7 / 200 | 2020 | d = 0,48 | LOW-MID | https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7257376/ |
7 / 400 | 2021 | d = 0,00 | – | https://www.mdpi.com/2077-0383/10/4/647 |
5 | 2016 | d = 0,30 | LOW | https://www.mdpi.com/2072-6643/8/8/483 |
n = 2300 | Weighted d = 0,28 | LOW |
Hier die Meta-Studien zu Kurkuma:
RCTs / Probanten | Jahr | Effektstärke | Bias? | Link |
10 / 590 | 2021 | d = 0,32 | MID | https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0165032720332481 |
10 / 530 | 2019 | g = 0,75 | MID | https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/10408398.2019.1653260 |
6 / 380 | 2016 | d = 0,34 | LOW | https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1525861016306752 |
n = 800 | Weighted d = 0,49 | MID |
Weiter mit Safran. Die größte Studie enthält Hinweise auf massiven Publikationsbias. Man sollte davon ausgehen, dass viele Safran-Studien mit negativem Ergebnis in den Schubladen verschwunden sind. Entsprechend bleibt unklar, wie es um die antidepressive Wirkung von Safran tatsächlich steht.
RCTs / Probanten | Jahr | Effektstärke | Bias? | Link |
23 / 1240 | 2019 | g = 0,99 | HIGH | https://academic.oup.com/nutritionreviews/article/77/8/557/5499264?login=true |
11 | 2019 | g = 0,89 | – | https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30036891/ |
7 | 2018 | d = 1,22 | LOW | https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5967372/ |
2 | 2013 | d = 1,62 | – | https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S2095496414601412 |
n = 1600 | Weighted d = 1,03 | HIGH |
Und last but not least L-Carnitin. Hier gibt es bisher nur eine Meta-Studie zur antidepressiven Wirkung und diese enthält Hinweise auf einen mäßigen Publikationsbias. Leider auch eine unklare Lage.
RCTs / Probanten | Jahr | Effektstärke | Bias? | Link |
12 / n = 790 | 2018 | d = 1,10 | MID | https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29076953/ |
Was die Dosierung angeht sollte man am besten einen Blick darauf werfen, wie das Mittel in den RCTs dosiert wurde. Das ein oder andere lässt sich (zumindest kurzfristig) mit mehr “Wumms” einsetzen als die oftmals recht konservativen Angaben der Hersteller hergeben. Als wirkliche Alternative zu einem SSRI kann wohl keines dieser Mittel dienen, jedoch ist etwas besser als nichts.
[…] und Probiotika wäre (die einzigen Supplemente mit gesicherter antidepressiver Wirkung, siehe hier). Eine solche Effektstärke wäre nicht zu verachten. Bedenkt man aber an, wie unehrlich die […]
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[…] bleibt also auch unter Verwendung höherer Standards signifikant und wäre demnach im Bereich von Omega-3 (d = 0,34, nach Bias-Korrektur d = 0,26) und probiotischen Supplements (d = 0,28, nach […]
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